Mit der fortschreitenden Industrialisierung und den damit verbundenen Bau der Remsbahn (1834 -1902) kamen wohl auch die Ideen von Turnvater Jahn nach Urbach. Größere Nachbarstädte wie Schondorf, Waiblingen und Stuttgart können zwar auf eine noch ältere Turntradition zurückblicken, das gesellschaftliche Leben hatte sich dort aber viel früher an die rasante Entwicklung im Handwerk, Industrie und Handel angepasst. Waren es vorher überwiegend die Mitglieder der gehobenen Klasse wie z. B. der Adel, der Klerus und die Frühindustriellen, die Sport trieben, so kam es gerade durch die industrielle Revolution des 18. Jahrhunderts dazu, dass sich das Turnen
gerade auch in den unteren und mittleren Schichten des Volkes verbreitete. In Urbach hatten die Einwohner zuerst an der Sicherung der eigenen Existenz alle Kräfte zu mobilisieren, an Turnen war dabei nicht zu denken.
In der Ortschronik können wir nachlesen, dass die Existenzgrundlage zu Beginn der Industrialisierung ausschließlich die Landwirtschaft war. Die Böden rund um Urbach konnten zwar seine Einwohner leidlich ernähren. Mißernten brachten aber nicht selten bitterste Not in unsere Gemeinde.
So nimmt es nicht wunder, wenn bereits im Jahr 1895 ein Drittel der Erwerbstätigen in der Industrie auswärts beschäftigt war. Die Landwirtschaft wurde aufgegeben oder zumindest als Zuerwerb weiter betrieben um den kärglichen Arbeitslohn aufzubessern.
Vorstellbar ist, dass diese Arbeiter die Idee der Turnens mit nach Urbach brachten.
Wie überall, so trafen sich auch in Urbach nach Feierabend die Arbeiter in den Gastwirtschaften. Diejenigen, welche nach auswärts zur Arbeit gingen, trafen sich in der Bahnhofswirtschaft.
Dort erzählten sie, wie in anderen Städten geturnt wurde und dass dieses Turnen nicht nur ein Mittel zur Freizeitgestaltung war, sondern auch der Gesundheit und der Kameradschaft diene.
In einer dieser Wirtshausrunden wird wohl der auslösende Funke übergesprungen sein. Leider wissen wir heute nicht mehr die genaue Vorgeschichte der Gründung. Wir können uns aber die Entstehung des Turnvereins in dieser oder ähnlicher Weise vorstellen. Denn wie wäre es wohl anders zu erklären, dass die Turnbegeisterten damals gleich ihren Wirt, den Kronenwirt Wilhelm Schwarz zu ihrem Vorsitzenden erkoren. Überliefert ist auch, dass das damaligen Turnen im Freien gleich neben dem Gasthaus „Krone“ stattfand. Dort wo sich die ehemalige Postbaracke befindet, sollen sich die ersten Urbacher Turner getroffen haben.
Am 6. März 1897 wurde der Turnverein Unterurbach aus der Taufe gehoben.
Aus dem Gründungsprotokoll:
Verzeichnis der Mitglieder bei der Gründung des TV Unteurbach am 6. März 1897.
Wilhelm Schwarz Gottlob Kreeb Gottlob Schwäble
Johannes Rube Christian Härer Ernst Schwäble
August Walter Adolf Härer August Schiek
Gottlieb Fezer August Marx Johannes Schiek
Johannes Marx Gottlob Marx (Bauer) August Schuler
Gottlob Sturm Gottlob Marx (Fabrik) Theodor Schiek
Wilhelm Geiger Karl Marx Johann Ziegler
Gottlob Hurlebaus Christian Mack Jakob Härer
Gottlob Bantel Friedrich Müller Wilhelm Notdurft
Karl König Wilhelm Rube Karl Heilemann
Friedrich Klink Jakob Rube Wilhelm Schabel
Ernst Klink Karl Rube Friedrich Schuler
„Infolge öffentlicher Aufforderung trafen heute eine Anzahl junger Leute bei Restaurateur Wilhelm Schwarz zusammen, um zur Gründung eines Turnvereins zu schreiten. In die aufgelegte Liste zeichneten sich nach einigen einleitenden Erklärungen 29 derselben als Mitglieder ein, worauf die Wahl des Ausschusses vorgenommen wurde. In denselben wurden gewählt:
als Vorstand Wilhelm Schwarz
Vizeturnwart Johannes Rube
Kassier August Walter
Schriftführer Gottlob Fezer
Weitere Ausschussmitglieder: Gottlob Sturm, Johannes Marx; Wilhelm Geiger, Gottlob Hurlebaus.
Zum Vereinsdiener wurde Karl Rube bestellt.
Auf Vorschlag des Ausschusses wurde einstimmig beschlossen, die Monatsversammlung an jedem ersten Samstag eines Monats abzuhalten, die Ausschußsitzungen sowie außerordentliche Versammlungen je nach Bedarf durch den Vereinsdiener einberufen.
Die Turnabende wurden vorläufig auf Mittwoch und Samstag festgesetzt. Das Vereinslokal befindet sich bei Restaurateur Schwarz ebenso der Turnplatz.
Unterurbach, den 6. März 1897 Schriftführer Fezer
(aus Festschrift „90 Jahre Turnverein“ – Abschrift von Helmut Büber März 2024)